SO, 28.08.2005: Aktuelles: Katrina bringt New Orleans den Untergang |
![]() Das ist die schwerste US-Katastrophe seit dem Erdbeben von 1906, das San Francisco zerstörte. Dabei streifte das Zentrum des Hurricans New Orleans nur, und die Metropole entkam damit knapp der ganz großen Katastrophe. Doch zögerliche Rettungsversuche der US-Regierung bringen die zerrissene Gesellschaft des Südens zum Vorschein: Wer kein Geld hat, bangt um sein Leben. In der Stadt herrschen Unruhen und Plünderungen, worauf der Ausnahmezustand, das Kriegsrecht und Gesundheitsnotstand ausgerufen wurden. Was passiert ist, steht im Link
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DI, 06.09.2005: Von Papa 25. August: Der Südosten Floridas bereitet sich am Nachmittag auf die Ankunft von „Katrina“ vor, die sich als Tropensturm der Küste nähert. Für den Abschnitt von Vero Beach und Florida City gilt eine Hurrikanwarnung. Am Abend hat „Katrina“ wenige Kilometer vor der Ostküste Floridas an Kraft gewonnen und wird zum Hurrikan hochgestuft. 26. August: „Katrina“ zieht in der Nacht mit unerwarteter Zerstörungskraft über Florida hinweg. Sieben Menschen kommen ums Leben. Mehr als 1,3 Mio. Menschen sind ohne Strom, weil herunterfallende Äste die Leitungen beschädigten. Der Hurrikan tankt wieder Kraft über dem Golf von Mexiko. Die US-Bundesstaaten Mississippi und Louisiana rufen den Notstand aus. Über dem Golf sind Geschwindigkeit von 280 Kilometern pro Stunde gemessen worden. ![]() 27. August: Präsident George W. Bush erklärt Louisiana mit der Jazzmetropole New Orleans zum Katastrophengebiet. In Louisiana beginnt die Flucht vor dem Hurrikan ins Landesinnere. 28. August: „Katrina“ wird auf die höchste Kategorie fünf heraufgestuft. Mit Windgeschwindigkeiten von 256 Stundenkilometern im Zentrum steuert der Hurrican auf die Südostküste zu. Mittags wird New Orleans zwangsevakuiert. Die Zufahrtstraßen werden zu Einbahnstraßen erklärt. An Tankstellen geht das Benzin aus. Insgesamt fliehen über eine Million Menschen vor dem Sturm. Bäume werden entwurzelt, Dächer abgedeckt, Strommasten umgeknickt, Krankenhäuser stehen unter Wasser. Im Sportstadion Superdome in New Orleans, das als Notlager eingerichtet wurde, suchten rund 30.000 Menschen Zuflucht. Hunderte warteten vor den von Soldaten kontrollierten Eingängen der Arena mit ihren 70.000 Plätzen. In New Orleans und Umgebung leben rund 1,3 Millionen Menschen. Die Stadt gilt als besonders gefährdet, weil sie zu weiten Teilen unter dem Meeresspiegel liegt und nur durch Deiche vor der Überflutung geschützt wird. Es wird befürchtet, dass die Stadt in den Fluten untergeht. Das Ausmaß der gewaltigen Schäden wird allmählich sichtbar: Ganze Stadtviertel stehen zwei bis drei Meter unter Wasser, mehr als eine Million Haushalte sind ohne Strom. Experten schätzen die Schäden auf mehr als 30 Mrd. Dollar (24,5 Mrd. €). Das Auge des Hurrikans drehte kurz vor der Metropole New Orleans nach Osten ab, so dass sich die schlimmsten Befürchtungen nicht erfüllten. Umso heftiger wurden aber die US-Staaten Mississippi und Alabama getroffen. Der Sturm hatte vor seinem Aufprall an der US-Küste ein wenig von seiner zerstörerischen Kraft verloren. Über dem Golf von Mexiko waren noch Geschwindigkeiten von 280 Stundenkilometern gemessen worden. Als "Katrina" schließlich die Küste von Louisiana erreichte, waren es 235 Kilometer, so dass er in die zweithöchste Kategorie 4 herabgestuft wurde. Später waren es dann nur noch rund 200 Kilometer pro Stunde, was der Kategorie 3 entspricht. Auch waren die Flutwellen mit einer Höhe von gut vier Metern nur etwa halb so hoch wie befürchtet. Verzweifelte Menschen, die auf die Dächer geklettert waren, schrien um Hilfe. Die Küstenwache zog nach Angaben von Sprecher Dave Callahan mit Seilen mehr als 300 Menschen in Sicherheit. Auf manchen Dächern waren Retter mit Hacken im Einsatz. Sie rissen Löcher in die Dachstühle, um Eingeschlossenen Fluchtwege zu schaffen.
"An der Küste von Mississippi werden wir hunderte Tote sehen", sagte der Sprecher der besonders schwer getroffenen Stadt Biloxi, Vincent Creek. Es seien bereits Leichen gefunden worden. "Was hier passiert ist, ist unvorstellbar. Biloxi ist quasi untergegangen." Der Stadtteil Point Cadet sei komplett von der Außenwelt abgeschnitten. Niemand wisse, wie es den Anwohnern dort gehe. In Biloxi leben 50.000 Menschen. Bislang ist bekannt, dass allein in einem einzigen Apartmentblock der Stadt 30 Menschen ums Leben gekommen sind. Die genaue Zahl der Opfer stand zunächst nicht fest. Viele seien aber in ihren Häusern eingeschlossen gewesen, als eine neun Meter hohe Flutwelle die Gebäude unter sich begraben habe, sagte ein Sprecher. Die Menschen seien ertrunken oder von Trümmern eines eingestürzten Hauses erschlagen worden, sagten Rettungskräfte. In den Bundesstaaten Louisiana, Mississippi und Alabama sitzen noch immer Tausende Anwohner in ihren überfluteten Häusern oder auf Dächern fest. Weite Teile der Region standen unter Wasser, eine Million Menschen waren ohne Strom, unter den Trümmern eingestürzter Häuser wurden weitere Opfer befürchtet. Es gebe weder Nahrungsmittel noch Trinkwasser, berichtete die lokale Radiostation 4WWL. Weil die Toiletten nicht mehr funktionierten, seien die verbliebenen Einwohner aufgefordert worden, ihre Notdurft in Plastiktüten zu verrichten. In der Stadt funktioniere nichts mehr: Kein Licht, kein Telefon, kein Fernseher. Nach einem Bericht des Fernsehsenders Fox News gibt es in einem Umkreis von hundert Kilometern weder Milch, Trinkwasser oder Benzin. Bei Temperaturen von 33 Grad Celsius fiel wegen des Hochwassers der Strom aus. Weder Toilettenspülungen noch Klimaanlagen funktionieren. Überall stapelt sich nach Augenzeugenberichten der Müll. In dem Stadion ist es heiß, stickig und feucht. Ein Mann stürzte sich von einer Tribüne des Stadions in den Tod. In den Krisengebieten um New Orleans steuert die Situation inzwischen auf eine humanitäre Katastrophe zu. "Die Schäden sind größer als in unseren schlimmsten Befürchtungen", sagte die Gouverneurin von Louisiana, Kathleen Blanco. "Die Situation ist unhaltbar. Es bricht einem das Herz." Weil zwei Dämme und die zentrale Wasserleitung gebrochen seien, wolle sie die ganze Stadt evakuieren lassen. Die demokratische Senatorin Mary Landrieu verglich die Situation in Louisiana mit der in Indonesien nach dem Tsunami Ende vergangenen Jahres. Leichen würden von den Rettungskräften in den Booten einfach beiseite gestoßen, sagte Bürgermeister Ray Nagin. Die Häuser mit Toten werden mit roten oder schwarzen Zeichen markiert. "Wir kümmern uns jetzt nicht um die Toten", sagte Nagin. Rettungskräfte im Hochwassergebiet befreiten Hunderte Bewohner aus Dachböden und von Hausdächern und brachten sie in Sicherheit. Die Rettungsaktionen liefen nach Berichten des Fernsehsenders CNN teilweise chaotisch ab: Weil den Helfern das nötige Gerät fehlte, hackten sie mit den Ankern ihrer Boote Löcher in die Dachstühle, um die Eingeschlossenen zu befreien. Umgestürzte Bäume und herabhängende Stromkabel behinderten die Arbeiten. An vielen Stellen waren immer noch Hilfeschreie in den überschwemmten Häusern zu hören. Mit Hubschraubern wurden ganze Familien aus umfluteten Häusern gerettet. Aus der Region stammt normalerweise ein Viertel der gesamten Benzin- und Heizölproduktion der USA. Die Ölkonzerne Exxon Mobil und Royal Dutch Shell beklagen derzeit allerdings vor allem die Versorgungsprobleme in Folge der Stromausfälle auf dem Festland. Die Schäden konnten die Konzerne noch nicht genau beziffern. Die meist stehenden Wassermassen im Krisengebiet seien jedoch kontaminiert. Weil die Kanalisation durch den Wirbelsturm überflutet wurde, schwimmen Fäkalien im Wasser. Auch durch Tierkadaver gelangen Keime ins Wasser. Möglicherweise sind auch Tanks leckgeschlagen und Chemikalien ausgetreten, so dass Vergiftungen drohen. Müllberge: Weil die Müllentsorgung nicht funktioniert, sammeln sich nach Katastrophen in den betroffenen Gebieten Massen an Unrat und Trümmer an. Dies ist wiederum ein ideales Umfeld für Ratten, die Infektionen übertragen können. Der Nachrichtensender CNN meldete unter Berufung auf einen Polizeibeamten, dass die Behörden besorgt seien, dass sich die Situation im Inneren des Stadions verschlechtere. Es breite sich Unruhe aus, berichtete der Polizist. Die Klimaanlage in der geschlossenen Halle ist bereits ausgefallen, wegen des Hochwasser funktionieren die Sanitäranlagen nicht mehr. In den Straßen von New Orleans kam es unterdessen mehrfach zu Plünderungen und Schusswechseln zwischen Polizei und Plünderern. Viel schlimmer, so scheint es, können die Zustände im Superdome derzeit kaum werden. Zehntausende Menschen sind in dem Stadion eingepfercht. Wegen des Hochwassers ist der Strom ausgefallen. Die Toiletten funktionieren nicht, seit Tagen konnten sich die Flüchtlinge nicht mehr waschen, die Klimaanlage funktioniert nicht, die Müllberge wachsen, der Geruch ist entsprechend. Die drückende Schwüle macht das Ganze nicht besser. Lokale Fernsehsender berichten, die Lage sei so menschenunwürdig, wie man es sonst nur aus Massenflüchtlingslagern der Dritten Welt kenne. Zumindest sorgt die Armee dafür, dass die Menschen mit Wasser und Nahrung versorgt werden. Die Verzweiflung der Anwohner steigt stündlich. "Wir sollen gehen. Aber wohin?", rief ein von der Hitze gezeichneter Mann in die Fernsehkameras. Tausende Menschen, die noch in ihren Häusern ausgeharrt hatten, flüchten jetzt wegen der steigenden Pegel aus der Stadt. Auf einer höher gelegenen Durchgangsstraße sind Tausende ziellos unterwegs, viele mit Kindern auf den Armen, die Alten gestützt auf Angehörige. Manche lassen sich am Straßenrand nieder und versuchen, sich mit Decken notdürftig vor der sengenden Sonne zu schützen. Experten befürchten jetzt den Ausbruch von Seuchen in den Hurrikan-Gebieten. Während die Opferzahl in Asien dramatisch höher lag, ist der materielle Schaden, den "Katrina" verursachte, deutlich größer. Die Lage in den verwüsteten Gebieten im Südosten der USA spitzt sich weiter zu. US-Sender berichteten über die wachsende Frustration und Verzweiflung der Betroffenen in den Katastrophengebieten. Tausende Menschen sollen in der verwüsteten Küste am Golf von Mexiko in ihren überfluteten Häusern noch immer gefangen sein. Augenzeugen berichteten von zahlreichen im Wasser treibenden Leichen und von Menschen, die wegen ausbleibender Versorgung mit Wasser und Lebensmittel zusammenbrechen und sterben würden. Als Folge der Ausfälle stiegen die bereits hohen Benzinpreise weiter an. In den vom Sturm betroffenen Regionen - Louisiana, Mississippi, Alabama und Florida - wurde der Nachschub knapp. An vielen Tankstellen bildete sich Kilometer lange Schlangen, und zahlreiche Zapfsäulen waren leer. Die Evakuierung von bis zu 30.000 Menschen aus dem Superdome in New Orleans ist unterbrochen worden. Vor dem Stadion war auf einen bei der Räumung eingesetzten Hubschrauber geschossen worden. Im und um das Footballstadion brennen mehrere Feuer. New Orleans - "Die Plünderer nähern sich den dichter besiedelten Gebieten, Hotels und Krankenhäusern. Wir werden das stoppen", sagte Nagin. Aus New Orleans wurden Dutzende Raubüberfälle gemeldet. Die Diebe benutzten Mülltonnen und Luftmatratzen, um ihre Beute wegzuschaffen, darunter Lebensmittel, Kleidung, Fernseher und Waffen. In den Flutgebieten im Süden der USA macht sich Anarchie breit. Waffen-Läden wurden ausgeraubt. In Wild-West-Manier schießen Menschen auf Retter. Lkw mit Medikamenten und Hilfsgütern wurden überfallen. Die Behörden ziehen Tausende Streitkräfte von der Evakuierung der Flutopfer ab, um den Plünderern Einhalt zu gebieten. Erst kam die Naturkatastrophe, dann kamen die Plünderer. Inmitten des von den Fluten angerichteten Chaos liefern sich Polizei und Plünderer heftige Schießereien. New Orleans gilt als schönste Stadt im Süden der USA. Doch schon vor "Katrina" war es auch eine Hochburg der Kriminalität. Tausende Hurrikan-Opfer sind unter katastrophalen Bedingungen im Superdome von New Orleans eingepfercht. In dem Stadion soll es zu Vergewaltigungen und sogar Mord gekommen sein. Die Wut der Menschen auf die Untätigkeit der Behörden wächst. Die Münchener Rück muss ihre Schadenprognose nach dem verheerenden Hurrikan "Katrina" anpassen. Der weltgrößte Rückversicherer erklärt, dass die Kosten für das Unternehmen höher sein könnten als bislang geschätzt. ![]()
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